Freitag, 6. Juli 2012

Artikel: Festivalbericht zum With Full Force 2012

An dem Wochenende der 150.000 Blitze (laut den Medien) befand ich mich auf dem With Full Force Festival, nördlich von Leipzig. Ich möchte speziell dieses Erlebnis aus meiner Sicht beschreiben, da die Massenmedien hauptsächlich über die Verletzten und das Chaos berichtet haben. Und natürlich war das restliche Festival wieder einmal erste Sahne. Welche Bands ich sah und wer mich positiv überrascht oder aber auch enttäuscht hat, lest ihr hier!

Es ist Anfahrtszeit und jedes Jahr aufs Neue ein Spektakel, wenn eine Kolonne mit dem typischen Festival-Vorfreude-Syndrom und bereits völlig isoliert von der restlichen Zivilisation und voll bepackt auf der Autobahn Richtung Ackerland fährt. Da ist es immer schön zu sehen, unterwegs auf Gleichgesinnte zu treffen. Die Freude steigt an diesem Punkt jedes Mal ins Unendliche.

Die Eingangskontrollen, die Park- und Campingplatzsuche und vor allem das obligatorische Aufbauen des Pavillons, um schnellstens Schatten zu haschen und die erste Dose zu öffnen sind altbewährte Tradition. Wenige Stunden später ist auf dem brachen Flugplatz eine Zeltstadt entstanden - der erste Abend und vor allem der erste musikalisch unterlegte Tag dürfen nun ruhig kommen!

Freitag - alles im grünen Bereich
Fangen wir doch gleich mit den Highlights dieses Jahres an - zumindest jene, die ich selbst miterlebt habe. Erstaunlicherweise habe ich meinen Hintern trotz Hitze, vor allem am Freitag und Samstag, zu diversen Nachmittags-Bands bewegen können. Und das war auch gut so, schließlich habe ich so meinen ersten Lichtblick vermachen können. Nachdem ich die durch die TV-Sendung Scrubs bekannten US-Amerikaner von DevilDriver noch so halb mitgenommen habe, stiegen Insomnium auf die Bühne und fackelten trotz knackigen 35 Minuten und treibender Nachmittagssonne ein grandioses Melancholie-Feuerwerk ab.

Die nächste Band, die auf meinem Plan stand, sollte August Burns Red werden, doch wie es sich für Festivals so gehört, kommt ja irgendwie immer etwas zu spät, weil man lieber völlig breit im Klappstuhl des eigenen Zeltplatzes verweilt. Zwei Songs waren bereits abgelaufen und die Meute sichtlich erhitzt, konnten die Jungs mit einem klasse Sound und einer breiten Euphorie der Fans überzeugen. Während viele sehnsüchtig auf Lamb Of God warteten, flog bereits im Vorfeld die Absage der Band auf den Acker, da Frontmann Randy Blythe wohl noch im Knast festsitzen würde. Dafür verlagerten die US-Corer Emmure ihren Sendeplatz von der Hard-Bowl auf die Hauptbühne, wobei hier der Krankenwagen mehrmals durch die Massen fahren durfte - aber das war ja bei der Mucke bereits im Vorfeld abzusehen.

Suicide Silence beglückten unzählige Hörer als erste "Vorband" des Abends. Da wurde gegrölt und gefeiert, was das Zeug hielt. Nach 30 Minuten war allerdings die Luft irgendwie raus und ich wartete nun auf den ersten großen Hauptakteur namens Machine Head, die eine progressive und schwermetallische Show ablieferte. Eine sehr gängige Lichtshow strahlte unter dem Abendhimmel gen Horizont, während vor allem ältere Kaliber wie "Imperium" die Masse aufzogen. Klasse!

In der Nacht wurde natürlich wie immer gefeiert was das Zeug hält und eigentlich wollte ich dieses Jahr wenigstens einmal eine Knüppelnacht in der Hard-Bowl miterleben - doch die Trägheit siegt vor allem auf Festivals relativ oft. Ich kann an dieser Stelle bereits verraten, dass ich es auch an keinem anderen Abend in die Bowl geschafft habe - nächstes Jahr, versprochen! ;)

Samstag - der Himmel soll brennen!
Die erste Nacht war vorbei und die Sonne brannte bereits zu einer äußerst unchristlichen Zeit den Weizen vom Feld. Was bleibt da also anders zu tun, als in der Hard-Bowl Schatten zu haschen? Daher begann mein Tag mit der deutschen New-Comer-Band Eskimo Callboy, die sich mal ordentlich zum Drops gemacht haben - für mich waren sie im Vorfeld bereits eine reine Party-Band und bleiben es auch nach diesem Auftritt. Daran knüpften erneut amerikanische Corer von Texas In July an, die eine gängige Alternative zu Bands wie The Ghost Inside oder auch Parkway Drive hätten sein können, doch der Sound war so zu Brei zerfahren, dass selbst der aktive Hörer keinerlei Songstrukturen heraushören konnte. Überzeugt haben sie mich damit jedenfalls nicht - schade! Noch nicht genug von US-Amerikanern? Im Anschluss betraten Stick To Your Guns die Bühne, die im Gegenzug ein richtiges Brett nah dem anderen ablieferten. Vor allem der charismatische Frontmann Jesse Barnett heizte die springende Masse trotz bestehender Hitze noch weiter auf.

Dann ging es ab zur Mainstage, wo die ungarische Band Ektomorf bereits gefeiert wurden. Ein guter Auftritt, dieses Mal sogar mit durchgängiger Stimme. Dafür fehlte diese in den ersten beiden Songs der Schweden von Meshuggah komplett - da hatten die Tontechniker wohl geschlafen! Nachdem die Band gefühlt den gleichen Song zum dritten Mal spielte, betraten Cannibal Corpse die Bühne und schmissen jegliche Science-Fiction-Progressivität über Bord. Sie sind nun mal eine "Klassiker-Band", die man einmal gesehen haben muss, auch wenn der gute Grindcore nun nicht jedermanns Geschmack ist - meiner eigentlich auch nicht. Aber irgendwie schaffte es die Band für meine Ohren doch auf einen grünen Zweig zu kommen.

Während die bemalten Krieger der alten Black-Metaller von Immortal mit knarzender Stimme und blechernem Drum gegen die untergehende Sonne spielten (und auch zwischenzeitlich technische Probleme den Auftritt verzögerten), wuchs die Vorfreude auf die Band des Festivals: Heaven Shall Burn. Dass sie  an diesem Abend nicht nur ihrer Musik, sondern auch ihrem Namen alle Ehre machen sollten, konnten die deutschen Sympathisanten im Voraus sicherlich nicht einmal erahnen. Und damit komme ich zu dem medialen Ereignis, welches diesen Auftritt unvergesslich machen sollte.

Der selbst benannte "härteste Acker Deutschlands" fühlte sich am 30. Juni und 1. Juli nicht nur diversen elektrischen Entladungen hingezogen, sondern ging auch ordentlich baden. Zeitungen berichteten von umher wirbelnden Menschen und über 50 Verletzten. Letztlich waren es sogar 69 Personen. An dieser Stelle möchte ich mein Beileid für diese Personen aussprechen, die versucht hatten, einen Pavillon eines Betreibers während des nächtlichen Sturmes am Boden zu halten, während ein Blitz genau dort einschlug. Ins Wasser fielen keine Gigs, da sich der tobende Sturm mitsamt Monsunregen und Blitz-Fest größtenteils in der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli erübrigte. 

Trotz der Verletzten bin ich dankbar für dieses Erlebnis. Es war mir eine Ehre, die Kraft von Mutter Natur in Verbindung mit Live-Musik so hautnah erleben zu dürfen. Während ich zusammen mit etwa 20.000 anderen musikalisch geladenen Menschen am 30. Juni um ca. 22 Uhr auf den heiß erwarteten Hauptakteur Heaven Shall Burn wartete, braute sich in Windeseile eine Gewitterfront zusammen, die dank ihrer blau-schwarz-gefärbten Wolkenschicht und den noch weit entfernten, hellroten Blitzen für ein tiefes Durchatmen im Voraus sorgte. Es war bereits zu erwarten, denn von einer Schatten-Temperatur von 35 Grad waren wir an diesem Tag nicht allzu weit entfernt. Für eine Rückkehr zum heimischen Zeltplatz war es zu diesem Zeitpunkt jedoch zu spät. Dies konnte jeder erahnen, der einen Blick in den Himmel warf, hin zu den Wolken, die um diese Zeit den vorzeitigen Beginn der Nacht einleiteten. Während es also in naher Ferne noch frohlockend vor sich hin blitzte, schienen die Jungs von Band Heaven Shall Burn (zu Deutsch: Der Himmel soll brennen - welch Ironie!) keine Eile an den Tag zu legen. 

Mit einer kleinen Verzögerung ging es dann dem drohenden Weltuntergang entgegen - passend zu den kritischen Texten der Band. Es dauerte etwa vier knüppelharte Songs an, bis die ersten klitzekleinen Regentropfen niedergingen. Was allerdings während dem folgenden Song "Endzeit", welcher buchstäblich die darauffolgende Situation untermauern sollte, passierte, ließ sich im Voraus zwar schon erahnen, doch in diesem Ausmaße nicht erhoffen. Aus klein wurde groß und aus wenig wurde viel: Ein Monsunregen der Extraklasse prasselte auf das Festivalgelände nieder, begleitet durch leuchtende Blitze, lautstarke Donner und einer Dampfwalze von Präsentation der Band, die nicht gegen, sondern mit der Naturgewalt zu spielen schien. Es gab kein Anzeichen einer Unterbrechung - so standen die Massen auch weiterhin vor der Bühne, sprangen umher und kreischten lauthals mit. Als wenige Minuten später das erste Mal der Leistungsverstärker ausfiel und die Band abschließend die Bühne samt Schlagzeug verließ, stand das vorzeitige Ende des Auftrittes dann doch in den meisten Augen der Zuhörerschaft geschrieben - auch in meine. Doch irgendwie konnte es das doch noch nicht gewesen sein!

Der Regen nahm nun noch weiter zu, viele stürzten nun unter die wenigen großen Pavillons der Bierzelte und Cocktail-Bars. Ich stand zu diesem Zeitpunkt, natürlich von Wasser durchtränkt ca. 75 Meter von der Bühne entfernt und ließ den angenehm kühlen Guss auf mich niederprasseln. Doch war es wirklich das vorzeitige Aus für eine der hochgelobten Bands dieses Festivals? Natürlich war es das nicht! Plötzlich schimmerte eine Melodie durch den Platzregen. Doch von der Band fehlte jede Spur. Dann die Überraschung: Neben dem Grollen des Donners und dem Plätschern des Wassers wurde die Abdeckung der Bühnenrückwand völlig selbstverständlich losgelöst und fiel zu Boden. Mit lautem Getöse startete die Band ihren zweiten Anlauf - und dieser sollte alle Verrückten aus den Zelten zu der Masse vor die Bühne scheuchen. 

Als wäre es mit Mutter Natur abgemacht worden, spielte die Band den Song "The Omen", der die Zuhörerschaft vollständig loslöste. Auch ich betrachtete den von unzähligen, riesigen Wassertropfen gefluteten Himmel, die dank der Pracht der Bühnenscheinwerfer wie tonnenweise herunterfallende Diamanten ausschauten. Jetzt begannen viele der Wartenden, so auch ich, sich der Naturgewalt zu stellen. Zwischenzeitlich stiegen einige Instrumente aus, doch auch diese scheinbar kleinen Problemchen wurden schnell ausgemerzt und es ging unaufhörlich weiter, bis der Platz einem Pool aus reinem Schlamm glich. Einige ausgewechselte Kabel und Instrumente später ging es dem Abschluss entgegen, doch den letzten Song schaffte man dann doch nicht mehr, als innerhalb eines Songs die Elektronik gänzlich versagte.

Widerwillig setzte die Band gegen 0 Uhr damit den Schlusspunkt. Auch der energiegeladenste Beobachter musste sich nun eingestehen, dass diese Show endgültig vorbei war. Markus Bischoff, Frontmann der Band, bedankte sich mit ergreifenden, sympathischen Worten bei der Masse, die noch immer umher sprang und ihrer Freude einen großen Raum bescherte. Die Blitze blieben, doch der Regen wich allmählich. Das obligatorische Samstags-Feuerwerk wurde darauf Richtung Gewittersturm gezündet. Die Band schrieb daraufhin auf ihrer Seite, dass es einer der ergreifendsten Konzerte ihrer bisherigen Geschichte war. Ihr Statement dazu: 

"Zurück vom WITH FULL FORCE! Wir fallen auf die Knie und würden am liebsten jedem von Euch um den Hals fallen!!! Ihr habt im stärksten Sturm voll durchgezogen und die Stellung gehalten - es gibt viele Bands die schwafeln wie hart Ihre Anhänger sind - wir können das aber mit Recht behaupten!!! Glaubt uns, am liebsten hätten wir das Dach von der scheiß Bühne abgeschraubt und in den Moshpit geworfen. Obwohl fast die gesamte Technik ausgefallen ist, jeder bis auf die Knochen nass war, der Hagel ins Gesicht peitschte, Blitz und Donner röhrten und wir auf der Bühne quasi im Blindflug spielen mussten, ist eine unbeschreibliche Energie entstanden die alles voran getrieben hat. Wegen des vielen Wassers wird es kaum Videos oder Fotos von der Show geben, doch jeder der dabei war wird wie wir diesen Abend für immer in seinem Herzen tragen. Ihr habt in dieser Nacht eine Leistung gebracht von der man sich noch in vielen Jahren erzählen wird, Ihr habt eine Legende geboren! Nicht vergessen werden dürfen aber auch die Festivalbesucher, die in der Nacht nach unserer Show auf dem Zeltplatz durch das zweite, noch viel heftigere Unwetter verletzt worden sind. Wir hoffen Ihr kommt alle bald wieder auf die Beine. Wir sind bei Euch!"

Völlig durchweicht schritt ich den verschlammten Boden zurück zum Zelt. Was ein Erlebnis! Doch im Sinne des Gewittersturmes sollte es das noch nicht gewesen sein. Gegen zwei Uhr in der Nacht kam die nächste Front der bereits seit dem ersten Sturm umher kreisenden Gewitter, welche noch einmal stärker sein sollte, als jene zuvor. Bei diesem Gewittersturm passierte es dann auch, dass 60 Menschen mitunter stark verletzt wurden. In Anbetracht der Stärke des Gewitters ist es im Nachhinein ein kleines Wunder, dass nicht mehr passiert ist. Zwischen fliegenden Pavillons und einreißenden Zelten hielt ich mein kleines Zelt so fest es ging, bis der Sturm nachließ und ich entkräftet einschlief. 

Sonntag - der Abschluss
Mein Blick, der am nächsten Morgen über das Gelände wanderte, blieb ein wenig entgeistert. Und doch war er voller Freude an ein Erlebnis, welches ich bereits jetzt schon tief in mir gespeichert habe. Am Sonntagmittag wollte ich unbedingt die französischen Helden von Gojira sehen, die jedoch gegen die ebenfalls bekannten deutschen Metaller von Neaera ausgetauscht wurden. Die Nacht zuvor hatte viel Kraft gekostet und so entschied ich mich, bereits am frühen Sonntagabend gen Heimat zu fahren und verzichtete damit freiwillig auf große Namen wie TriviumChildren Of Bodom und Soulfly. Den kompletten Running Order könnt ihr auf der offiziellen Seite nachlesen.

Ich bedanke mich bei allen, die diesen Abend so groß gemacht haben! Ich danke allen, die mit mir durch den Regen tanzten sowie dem Durchhaltevermögen von Heaven Shall Burn, die einmal mehr gezeigt haben, welche klasse Live-Band sie sind. Natürlich geht mein Dank auch die vielen Hilfskräfte und auch an Mutter Natur, welche für mich trotz der Verletzten und den massig niedergelegten Behausungen ein einmaliges Erlebnis bereit hielt. Liebes With Full Force - wir sehen uns nächstes Jahr wieder!

Euer Fibo

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