Freitag, 13. Juli 2012

Review: Long Distance Calling - Avoid The Light

18 Monate nach dem Debütalbum "Satellite Bay" gibt es für die Hörer des deutschen Post-Rock allen Grund zum Feiern, denn "Avoid The Light" findet den Weg in die Händlerregale. Mit jenem Album wird nicht nur endgültig offensichtlich, dass Long Distance Calling zu den besten deutschen Post-Rock-Bands gehören. Im Vergleich zum Erstling konnten hier nämlich noch mindestens zwei große Schippen drauf gelegt werden. "Avoid The Light" begeistert auf hohem Niveau!

Ich fange gleich einmal mit der Überraschung schlechthin an. "Avoid The Light" überzeugt auch dieses Mal mit einem großartigen Gastmusiker namens Jonas Renske der schwedischen Melancholie-Keule Katatonia. Zusätzlich wirken alle sechs Tracks in sich perfekt abgestimmt und dennoch aus der Ferne betrachtet wie aus einem Guss. Genau an diesem Punkt hebt sich das Album von seinem guten Vorgänger "Satellite Bay" ab.

Mächtig und doch sehr ambient gehalten geht es mit dem zwölfminütigen "Apparitions" los. Hier wird nicht nur der Post-Rock in unerreichten Höhen gefeiert, sondern gegenüber dem Opener von "Satellite Bay" eine geballte Ladung Nachdenklichkeit und Schwermütigkeit aufgebaut. Hier herrschen zu jeder Zeit ein mittelgroßer Funke der Melancholie sowie ein kleiner Hauch an Betrübtheit, die aber selbst zusammen nicht über die großartigen, euphorischen Momente dominieren. Das Album-Cover beschreibt die Gefühlslage des Albums dahingehend nahezu perfekt. Es gleicht einem kurzen Augenzwinkern, die schönsten Momente zu hinterfragen und sie dadurch nur noch mehr schätzen zu können. 


"Black Paper Planes" beginnt ebenfalls elektronisch, dazu äußerst geruhsam, bis nach schon wenigen Sekunden ein extrem markanter Gitarren-Riff einsetzt, der einen richtigen Mix aus Groove, Schnelligkeit und Härte findet. Bereits nach diesem Titel weiß der Hörer, dass die Jungs diese Art der Musik vollständig verinnerlicht haben. Eine gefühlte Jam-Session gibt "359" zum Besten. Der Ablauf ist zwar klar strukturiert, doch wirken der ruhige Bass und die sehr detailreiche Gitarrenarbeit stets ein wenig improvisiert. Auch die kleinen elektronischen Effekte dürfen hier nicht fehlen und runden das Gesamtbild prächtig ab. Generell scheinen die Gitarrenriffs auf "Avoid The Light" griffiger und vor allem einprägsamer zu sein, denn auch dieser Song entwickelt sich ab der Hälfte zu einem Wahnsinns-Brett und lässt eine enorme Energie frei werden, die auf und vor allem vor der Bühne überzeugen dürfte. 

Nach dem knackigem Ende beginnt "I Know You, Stanley Milgram!" fantasievoll, bis sich nach zwei vollen Minuten ein Schlagzeug aus dem verträumten Sumpf hervorzuheben versucht. Dann dauert es auch nicht mehr lange und die nächste Melodie versetzt die Hörerschaft in Staunen. Dieser Song schafft es, eine enorm hohe und vor allem stimmungsgeladene Wand aufzubauen und dennoch kurz und brachial abzuschließen. Der raue Abgang ebnet den Weg zum komplett differenten "The Nearing Grave", in welchem der Frontmann von Katatonia durch seine enorme stimmliche Präsenz eine so übergeordnete Rolle hervorbringt, dass man am liebsten darin versinken möchte. Dieser Titel ist im Begriff, alle guten Vorsätze eines experimentellen Rock-Songs zu vereinen und schafft dank Sänger Jonas Renske einen dermaßen perfekten Mix aus Melancholie, Eingängigkeit, Verträumtheit und der noch immer grandiosen Instrumentalisierung, dass "The Nearing Grave" um Besten gehören dürfte, was die Band jemals arrangiert hat. 

Der Abschlusstrack "Sundown Highway", zu dem man nach dem vorangegangenen Überhit kaum noch Worte finden wird, gibt dennoch einen weiteren klasse Titel ab, der das Album sogar recht wild ausklingen lässt und dabei noch einmal unterstreicht: Long Distance Calling haben einen großen Sprung nach vorn gewagt und definitiv gestanden. Mit dieser Band muss man die nächsten Jahre auf jeden Fall rechnen!

Euer Fibo

Wertung

Tracklist von "Avoid The Light"

01. Apparitions (12:17) 
02. Black Paper Planes (7:17) 
03. 359 (7:55) 
04. I Know You, Stanley Milgram! (10:26) 
05. The Nearing Grave (7:48) 
06. Sundown Highway (9:11)

Weitere Infos

Release: 24.09.2009 
Spielzeit: 54:52 
David Jordan (Gitarre) 
Florian Füntmann (Gitarre) 
Jan Hoffmann (Bass) 
Janosch Rathmer (Schlagzeug) 
Reimut van Bonn (Electronica)

Band-Kontakt

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich bitte trotz aller Subjektivität sachlich zu diskutieren. Danke!