Sonntag, 3. Juni 2012

Review: Panama Picture – Oh, Machine

Ein pochender Takt und ein mit Zucker überstreutes Xylophon starten den Tiefgang, der sich in innerhalb der nächsten 50 Minuten vollends offenbart. Diese Welt der Hamburger Jungs und Mädels ist verspielt, bunt und vor allem frisch. Doch nicht nur musikalisch gehen Panama Picture einen großen Weg. Auch textlich werden Monumente erbaut. Man wird es kaum glauben, aber mit "Oh, Machine" legen sie uns tatsächlich ihr Debütalbum vor.

Ich möchte zu Beginn gleich erwähnen, dass die Präsentation auf "Oh, Machine" so stark ist, dass man bereits nach dem ersten Durchlauf auf ein zweites Album gespannt sein darf. Nur das wir uns verstehen: Die Hörerschaft hat hier kein normales Debütalbum vorliegen. Selten schafft es die progressive Kunst schwer im Magen zu liegen und dennoch leicht verdaut zu werden. Doch genau auf dieser Welle des Erfolgs reitet die Band und man mag - ich muss es hier einfach nochmal erwähnen - auch nach dem fünften Hördurchgang kaum glauben, dass es sich bei "Oh Machine" um ihr erstes Album handelt. 

Das eingangs beschriebene Süßstoff-Intro vermag dem Hörer noch nicht in voller Pracht zeigen, was in dieser Platte steckt, doch auch hier ist bereits ein enormes Potential zu erkennen. Wer allerdings einen elfminütigen Hammer-Song wie den zweiten Titel "Paper City" schreibt, der sollte meiner Meinung nach mit Plattenverträgen überhäuft werden. Abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass die Band dieses Ziel in erster Linie vor Augen hat, zeigt dies mal wieder, wie einfach unsere Musiklandschaft doch gestrickt ist, dass ein Juwel wie dieses Album selbst an einem aufmerksamen Beobachter wie mir gnadenlos vorbeifliegt. Der Markt ist überschwemmt, selbst im alternativen Bereich scheinen jeden Tag neue Bands hinzu zu kommen, die letztlich nichts Neues bringen. Panama Picture machen dahingehend einen glänzenden Spagat. 


Wenn "Paper City" aus den Boxen zu schallen beginnt, mag man sich zuerst an Bands wie ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead oder die deutschen Jungs von Long Distance Calling erinnert fühlen. Es dauert allerdings nicht lange und der eigene Charme überstimmt bekannte Muster, die absolut prächtig umgesetzt werden und voller Glanz strahlen. Doch ist "Paper City" längst nicht der einzige Höhepunkt. Das folgende "Goldfish" startet ruhig und bleibt vorerst den melancholischen Geistern vorbehalten. Doch sobald der umwerfende Refrain einsetzt, muss man sich vor dieser Leistung einfach verneigen. Auch die folgenden paar Minuten, in denen der eben noch so geordnete Song in mehrere Teile zerpflückt wird, scheinen wie selbstverständlich arrangiert. Der Ausbruch zum Schluss bedeutet wahrhaftige Größe, ohne den Boden zu verlieren. Der ständige Wechsel zwischen ruhigen und weniger ruhigen Passagen ist nahezu perfekt in Szene gesetzt. 

Der nächste Song hält keine Sekunde lang inne und fährt eine etwas gröbere Schiene, denn als wäre die soeben errichtete Klangwand nicht schon hoch genug, kommt mit "The Antikythera Mechanism" die perfekte Steigerung nach einem aufwühlenden Song wie "Goldfish". Wenn in der letzten Minute dann sogar Klangreferenzen à la Porcupine Tree in greifbare Nähe rücken, hat mich die Band definitiv von ihrem Talent überzeugt. Da kommt das mit Sprach-Samples versehene Instrumental mit dem leicht unverständlichen Titel "amanaplanaCanalpanama" gerade recht, um die Gedanken wieder zu sammeln. 

Auch "Coal" startet mit ruhigen Fingern an den Gitarren und einer gänzlich ruhigen Spielart. Bei knappen zehn Minuten darf man sich aber sicher sein, dass dies nicht so bleiben wird. Nachdem die enorm starken Vocals hochgefahren werden, setzen auch wieder schrillere Töne ein und der Titel beginnt sich zu steigern. Oder doch nicht? Eine absehbare Songstruktur gibt es hier einfach nicht. Gleiches gilt für den Ausklang "If She Had Known / Epilogue". Neben dem im Titel erwähnten Outro, in welchem die bekannten Worte des Bürgerrechtlers Mario Savio aufgegriffen werden, gibt es äußerst ruhige Töne und damit ein starkes, aber nicht übermäßig aufgeblähtes Ende. Der Epilog lässt dank elektronischer Struktur den Abschluss gleichermaßen in sich versinken - eine gute Wahl für den Abgang eines ansonsten sehr aus den Rudern laufenden Albums. 

Das Rad lässt sich gerade in der heutigen Zeit schlecht neu erfinden. Panama Picture runden dies aber nahezu perfekt ab, in dem sie es schaffen, eine farbenfrohe Musiklandschaft vor dem inneren Auge des Hörers zu kreieren. Ich sage dabei aus tiefster Überzeugung: Wer nach dem ersten Hammer-Track "Paper City" nicht daran zweifelt, hier ein Debütalbum vorliegen zu haben, der hat die wahre Größe dessen noch nicht erkannt. Ob die Band Potential zu einer weiteren Steigerung hat, werden wir hoffentlich so schnell wie möglich erfahren. Mit "Oh, Machine" dürften sie sich jedenfalls ein kleines Denkmal gesetzt haben.

Euer Fibo

Wertung

Tracklist von "Oh, Machine"

01. Insomnia (3.58)
02. Paper City (11:04)
03. Golfdish (7:49)
04. The Antikythera Mechanism (5:12)
05. amanaplanaCanalpanama (4:03)
06. Coal (9:48)
07. If She Had Known / Epilogue (9:00) 

Weitere Infos

Release: 21.06.2011 
Spielzeit: 50:54 
Robin Helm (Gitarre, Gesang)
Nele Backhaus (Bass) 
Tim Gabriel (Electronica) 
Stephan Eschemann (Gitarre, Gesang)
Jannes Eschrich (Schlagzeug, Electronica)

Band-Kontakt

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich bitte trotz aller Subjektivität sachlich zu diskutieren. Danke!