Dienstag, 14. August 2012

Review: Devin Townsend Project - Ki

Devin Townsend ist schon echt ein irrer Typ. Aus reiner Frustration gründete er in den 90er Jahren die Schwermetall-Combo Strapping Young Lad und veröffentlichte unter diesem Banner mehrere Alben, bis sich die Band 2007 wieder von der Bühne verabschiedete. Townsend entschloss sich anschließend, seinen Drogenkonsum einzustellen und gründete 2008 das Devin Townsend Project - es sollte ein Neuanfang für ihn werden.

Dabei darf man ruhig erwähnen, dass der gute Herr trotz seiner Drogenwut zwischen den Alben von Strapping Young Lad ebenfalls mehrere Soloalben am Laufen hatte, die dem Hörer entweder noch abgehobenere oder viel ruhigere Töne zu Füßen legten. An Kreativität mangelt es dem Herren nun wirklich nicht. Doch kommen wir zu seinem Devin Townsend Project, mit welchem er so vieles anders machen möchte. Wer die metallische Wucht und die schier endlosen Gitarrenwände von Strapping Young Lad lieben gelernt hat, wird wohl mit Townsends neuem Projekt ein wenig enttäuscht sein - auch wenn für einige kurze Sequenzen immer mal der Gitarren-Hammer und einige gewohnte Passagen um die Ecke schielen. Wer jedoch schon immer die progressive Ader, die psychedelischen Welten und den Humor geliebt hat, wird mit "Ki" sehr glücklich werden.

Das unauffällige und kurze, aber äußerst angenehme Intro "A Monday" leitet das Album lässig und verträumt ein. "Coast" ist die erste Video-Veröffentlichung und weiß auf Anhieb den genialen Sound mit einer beschwingenden Harmonie und einigen mysteriösen Gefühlen zu kombinieren - typisch Devin Townsend eben. "Disruptr" gibt einen derben Groove vor, dicht gefolgt von Devins seichter Stimme, die sich zum Ende hin zum dominanten Gesteinsbrocken entwickelt. Der Schluss erinnert von der Instrumentalisierung her sogar an die Zeiten von Strapping Young Lad. Folgend ertönt "Gato" und macht genau da weiter, wo "Coast" zuvor aufhörte. Schnell wird aber auch hier klar: Der kreative Professor kann sich einfach nicht von seinem geliebten Sound trennen, was völlig verständlich ist, denn es ist einfach seine Handschrift, die auch diesen Tonträger beschriftet. Er kann wahrscheinlich gar nicht anders, sodass auch "Gato" zu einem gewissen Teil an seine alte Band erinnert, auch wenn zu jeder Zeit ruhige und rhythmische Parts dominieren. 


Das erste große und völlig differente Highlight folgt darauf. "Terminal" nimmt den Hörer mit auf eine entspannte Reise durch die Gefühlswelt eines Devin Townsend. Der teils abstrakte, sehr ruhige Klang weiß zu jeder Zeit ein warmes Gefühl zu vermitteln. Der Refrain sprüht Mut und Hoffnung, das Ende Zuversicht und ein wenig Melancholie. Das sind ganz große Töne, die der nachfolgende Track so nicht halten kann, denn "Heaven Send" ist wieder von einem ganz anderen Schlag. Ähnlich wie "Disruptr" steht hier der Groove der Gitarre im Vordergrund und elektronische Einsätze gibt es ebenfalls zu hören. Mit neun Minuten haben wir hier den längsten Titel der Platte, welcher dennoch nicht langgestreckt wirkt. Townsend hat eben ein Händchen für spannende, sich steigernde Songs, die am Ende wie eine Seifenblase kurz und schmerzlos zerplatzen. So bricht der Titel einmal mittig und einmal zum Schluss vollkommen in sich zusammen und die Verrücktheit der ehemaligen Hauptband kommt erneut zum Tragen. 

Die nächste atmosphärische Wendung kommt jedoch sofort: "Ain't Never Gonna Win..." geht als kleines Instrumental durch und wirkt schon beinahe wie eine jazzige Jamsession, bei der man sich sofort in eine andere Welt versetzt fühlt. Man darf hier wirklich einmal herausheben, dass viele der Titel auf emotionaler Ebene einfach komplett verschieden wirken. Apropos Atmosphäre: Das folgende "Winter" hat dies im Überfluss und weiß mit seiner wunderbaren Melodielinie zu begeistern - ein weiteres Highlight der Scheibe. Dann wird es wahrhaftig psychedelisch und im wahrsten Sinne abgefahren: "Trainfire" ist eine bluesige, leicht rockige, elvis-artige und metallische Wahnsinnigkeit mit einem sehr provokanten Text. Der Titel erfährt nach zwei Strophen und einer durchgeknallten Bridge einen Twist, der ihn gänzlich anders harmonieren lässt, als noch wenige Sekunden zuvor. Genau solche Songs sind es, die einen Devin Townsend aus der Masse herausheben und das gedankliche Kino perfekt machen.

"Lady Helen" ist neben  "Ain't Never Gonna Win..." ein weiterer ruhiger, entspannender Track, der zur nächsten Verrücktheit überleitet. Mit dem Titeltrack "Ki" steht uns genau solch eine ins Haus. Zu Beginn hält sich das Arrangement in einem normalen Townsend-Rahmen, später schlägt es sehr elektronisch und befremdlich auf den Hörer ein. Mit "Quiet Riot" strömt wieder das Gegenteil aus den Boxen. Akustik-Gitarre, Lagerfeuerstimmung und ein fröhlich singender Devin - vor wenigen Minuten noch hätte er das Lagerfeuer samt Stimmung zertrampelt und in er Luft in tausend Teile zerrissen. "Quiet Riot" schließt das Album theoretisch sehr zufriedenstellend ab, doch nach wenigen Sekunden folgt mit "Demon League" ein weiterer, kurzer Abgesang, welcher in aller Ruhe und äußerst sphärisch endgültig die Lichter ausgehen lässt.

Zusammenfassend könnte man das Album wie folgt beschreiben: Verrückt, ruhig, melodiös, psychotisch, groovig, atmosphärisch, langzeitlich, besänftigend, eingängig, aufbrausend, verständlich, komplex. Man könnte noch viele weitere Adjektive anfügen, es würde nahezu immer passen. Dass einige davon im absoluten Widerspruch zu einander stehen, interessiert ab dem ersten Hördurchlauf sicherlich keinen mehr. Townsend hat ein breites Spektrum an Gefühlen auf Lager, die er unverkennbar in musikalische Form pressen kann. Selbst bei den ruhigen und eingängigen Tönen wirkt er zu keiner Zeit mit Klischees behaftet, sondern stets eigenständig und widerspenstig. Ein höchst genialer Einstand nach dem finalen Schlussstrich bei Strapping Young Lad und ein Pflichtkauf für alle Fans, die Townsend aufgrund seiner herausragenden Spielfreude und Absurdität lieben.

Euer Fibo

Wertung

Tracklist von "Ki"

01. A Monday (1:43)
02. Coast (4:36)
03. Disruptr (5:49)
04. Gato (5:24)
05. Terminal (6:58)
06. Heaven Send (8:54)
07. Ain't Never Gonna Win... (3:17)
08. Winter (4:48)
09. Trainfire (5:59)
10. Lady Helen (6:05)
11. Ki (7:21)
12. Quiet Riot (3:02)
13. Demon League (2:55)

Weitere Infos

Release: 22.05.2009
Spielzeit: 66:49
Devin Townsend (Gesang, Gitarre)
Jean Savoie (Bass)
Dave Young (Electronica)
Duris Maxwell (Schlagzeug)


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